Eröffnung Galerienhaus

17.9.2010

Dr. Tobias Wall

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich wünsche einen schönen guten Abend und bedanke mich, dass ich die Einführung in die Ausstellungen hier im Galerienhaus machen darf.

Drei Ausstellungen, drei Künstler, drei Galerien. Alle unter einem Dach und doch jede mit einem ganz eigenen Charakter.

 

Salla Kuhmo – Galerie Horst Merkle

 

Jedes Mal, wenn ich die Galerie von Horst Merkle betrete, fällt mir die ungeheuer angenehme und persönliche Atmosphäre auf; kein unterkühlter elitärer Whitecube, sondern ein fast schon familiärer Ort. Das liegt nicht nur daran, dass Horst so ein vortrefflicher Gastgeber und Plauderpartner ist, sondern auch und zwar vornehmlich daran, dass man bei ihm als Galeristen spürt, dass er ein sehr persönliches und emotionales Verhältnis zur Kunst und eine ganz besondere Nähe zu seinen Künstlern hat.

In unserem letzten Gespräch hat er mir erzählt, dass er nicht selten bei der Begegnung mit einem Künstler oder einer Künstlerin, schon bevor er eines der Werke gesehen hat, spürt, dass es etwas für seine Galerie sein könnte. So ging es ihm auch mit Salla Kuhmo. Eines Tages stand sie in seiner Galerie und sie kamen ins Gespräch über die Zeichnungen von Hans Steinert, der hier gerade ausstellte. Sie erzählte von ihrer Heimat Finnland und welche Rolle sie für ihre Kunst spielte. Später dann schickte Salla Fotos von ihrem Finnlandaufenthalt, Fotos, die sie auch in ihren Bildern verarbeitet. Aus den Fotos wurde Kunst, aus dem ersten Gespräch eine Freundschaft zwischen Künstlerin und Galerist und hieraus diese Ausstellung.

Die Künstlerin studierte in Inverness, Freiburg und Stuttgart, und ist neben zahlreichen Ausstellungsbeteiligungen als Kunstvermittlerin in der Staatsgalerie tätig. Ihr Werk wurde bereits mehrfach mit Stipendien und Auszeichnungen gewürdigt.

Geboren wurde sie in Finnland und kam mit 16 Jahren mit ihrer Mutter nach Deutschland. Ihre finnische Heimat jedoch ist für sie nach wie vor ein enorm wichtiger Bezugspunkt; wie wichtig zeigt sich daran, dass sie Kuhmo, den Namen ihrer Heimatstadt zu ihrem Künstlernamen gewählt hat.

Kuhmo liegt im Nordosten Finnlands. Dort ist die Natur noch Herr der Welt. „Da gibt es gar nichts“, sagt die Künstlerin „außer Landschaft und Sport.“ Ihre halbe Familie lebt dort. Sie selbst spricht noch heute den finnischen Dialekt der Gegend. Ihre Existenz jedoch hat sie sich in Deutschland aufgebaut, hier arbeitet sie erfolgreich als Künstlerin und Dozentin. Ein Leben zwischen zwei Welten: Zwischenwelten. Das ist auch der Titel, den Salla für diese Ausstellung gewählt hat. Salla Kuhmos Kunst spielt sich, wie Florian Härle in seinem Text zum Katalog dieser Ausstellung schreibt, „im Dazwischen“ ab. Zwischen Deutschland und Finnland, zwischen Kunst und Natur, Ursprünglichkeit und Künstlichkeit, Historischem und Gegenwärtigem usw.

Ausgangspunkt ihrer Collagen sind häufig Fotografien, aus dem Familienalbum aus früheren Zeiten oder aus der Gegenwart, aber auch Bilder aus Zeitschriften, die sie weiterverarbeitet und verfremdet. Man sieht Landschaftsfragmente, Häuser, Tiere, aber auch Signets von Luxusmarken oder einfache dekorative Muster oder Streifen ebenso wie abstrakte Strukturen.

 

Diese verschiedenen Bedeutungs- und Formenwelten führt sie in ihren Kompositionen zusammen, dazwischen menschliche Figuren, oft Mädchen oder Frauenfiguren, die in diesen Zwischenwelten einen Stand oder Weg suchen.

Es sei ihr egal, ob diese Figuren nun als Selbstporträts gelesen werden oder als Chiffren für das Menschliche schlechthin.

Die Spannungen in ihren Zwischenwelten hält sie, indem sie mit ganz unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksmedien arbeitet: Zeichnung, Malerei, Fotografie, z. T. fotografiert sie Zeichnungen und montiert sie in ihre Collagen. Teilweise führt sie ihre Werke aus der Fläche in den Raum, schichtet ihre Motive als Reliefs, wie geheimnisvolle Guckkastenbühnen, in denen der Begriff des „Dazwischen“ eine ganz buchstäbliche, räumliche Bedeutung erhält. Hier in der Galerie hat sie einige Werke auf einer überdimensionalen Wandzeichnung montiert: ein geheimnisvoller Wald mit Riesenpilzen, die Bilder darauf platziert wie auf einem surrealen Stammbaum.

Salla Kuhmos Bilder sind voller Andeutungen und Ahnungen, ohne dass sie jedoch eine bestimmte Geschichte erzählen oder dokumentieren. Die Künstlerin lässt sich, wie sie mir sagte, beim Arbeiten von der Entstehung des Werkes tragen. Sie habe wohl zu Beginn eine vage Vorstellung, ein „Scheinziel“, wie es Willi Baumeister genannt hat. Aber sie wisse schon von Anfang an, dass der Weg woanders enden wird. Manchmal kann ein ganz einfacher Gedanke, ein Motiv aus ihrer Erinnerung ein Werk auslösen. „Der Hut von Aino Oma“ z. B. ist der Titel des Videos, in dem sie in verschiedenen Bildsequenzen ein Selbstporträt entwirft.

Die Serigraphie-Serie „Adam und Eva“ hat Salla Kuhmo extra für diese Ausstellung realisiert. Sie entstand nach einem gemeinsamen Trip mit Horst Merkle nach Frankfurt. Bis zu dreizehn Schichten hat sie übereinander gelegt, jede Schicht eine eigene Bedeutungswelt, die die Künstlerin wie Vorhänge vor oder hinter dem Menschenpaar einzieht. Ihre „Adam und Eva“, eine Kreuzung aus Staatsgalerie-Dürer und Selbstporträt, verloren in einer leblosen Frankfurter Straßenschlucht, eine Katze zu ihren Füßen. Hier regiert die Kultur, die Klarheit, nur noch für eine einzige Katze ist Platz, ganz anders als im Paradies zu Zeiten Adam und Evas, meint die Künstlerin, wo noch alles von Getier wimmelte, wo die Natur noch herrschte wie in Kuhmo im wilden Nordosten Finnlands.

 

Salla Kuhmo: Eine Künstlerin zwischen Finnland und Deutschland, Schneegebirge und Staatsgalerie, Rosenkranz und Cocacola, Elch und Glamourgirl, Fotoalbum und Streifentapete, Buntem und Schwarzem, Wildem und Kontrolliertem, Klarem und Geheimnisvollem: Es ist ein großes poetisches, manchmal verstörend persönliches Gefühlspanorama, das Salla Kuhmo vor uns breitet. Für mich ist es faszinierend, mich darin zu verlieren.