JAGD – SECHS KÜNSTLERINNEN (mit Renate Höning, Cornelia Schleime, u.a.)

 

SALLA KUHMO

 

„Mein Vater war ein leidenschaftlicher Jäger, wie sich das für einen richtigen Finnen gehört. Im Wald kannte er sich bestens aus – dort war seine Heimat. Gemeinsam durchstreiften wir die endlosen Kiefernwälder der Nordfinnischen Taiga und auf der Jagd lehrte er mich, wie ein Jäger seiner Beute auflauert. Ich lernte das Warten auf den Schuss, auf den richtigen. [...] Ich bin auch Jägerin geworden. Kamera statt Flinte. Stadt statt Wald. Kleine Alltäglichkeiten statt großer Elche. Fette Beute! Der Schuss tötet nicht, er schneidet heraus, zerschneidet Realität, mumifiziert Zeit. Inzwischen bin ich Besitzerin einer stolzen Trophäensammlung von Momenten, wie jeder Sammler, der eine Kamera benutzt. Die Kamera ist ein sehr gutes Gewehr! Sie liefert mir die Motive für meine Arbeit als Künstlerin."[1] 
Diese Textpassage von Salla Kuhmo charakterisiert sehr treffend eine ihrer neuen Wandzeichnungen mit dem Titel „Hunter", die für die Wetzlarer Ausstellung entstanden ist: Ein paar handgefertigte Jagdstiefel der Firma Hunter aus Naturkautschuk, einer Fotokamera, ihr eigenes finnisches Jagdmesser und ein Geldbeutel – das Arrangement dieser so eng mit ihrer Herkunft und ihrer künstlerischen Strategie verbundenen Gegenstände könnte als allegorisches Selbstporträt von Salla Kuhmo gelesen werden.
Salla Kuhmo geht in ihrer Kunst oft von eigenen Fotografien aus, verarbeitet sie zu Zeichnungen und überführt sie in neue Bedeutungszusammenhänge. Dieses Verfahren nennt sie „kontextuelles Recycling"[2]. Auf solche Weise entstand auch die Wandzeichnung „Trophäe  (Prada)", die ein altes österreichisches Trophäenschild mit einem Absatzschuh  der italienischen Luxusmarke Prada zeigt – ihre ganz persönliche Trophäe und zugleich eine Anspielung auf Jagd nach Konsum. Die Frage, was Jagd heute bedeuten kann, wird von ihr mit einem Jagdstillleben der besonderen Art beantwortet: Anstelle der üblicherweise abgebildeten Motive wie Wildbret, Krammetsvögel oder Jagdpfeifen hat sie ihre in eigenen Fachgeschäften „erjagten" Schuhe, hinterfangen von einem Bilderrahmen, gezeichnet. Seit 2009 setzt sich die Künstlerin intensiv mit den Themen Konsum und Werbung auseinander und stellt sie den Bildwelten der Natur und ihrer Ursprünglichkeit kontrastreich gegenüber.

 

Carola Schneider in: Magistrat der Stadt Wetzlar: Die Malerfamilie Deiker. Werke  aus Privatbesitz. JAGD. Sechs Künstlerinnen, Ausstellungskatalog „Die Malerfamilie Deiker – Werke aus Privatbesitz“ / „Jagd. Sechs Künstlerinnen“ (vom 30. 11. 2013 bis 30.03.2014) im Stadt- und Industriemuseum Wetzlar, Petersberg: Michael Imhof-Verlag GmbH & Co. KG 2013, S. 57.



[1] Salla Kuhmo im Oktober 2009, Quelle: www.salla-kuhmo.de/deutsch/texte/alter-ego

[2] Ebenda.